Wir alle leiden mehr oder weniger unter einem angespannten Arbeitsmarkt. Sei es in Bereichen wie der Pflege, der Gastronomie oder der Touristik, die aktuell ein wenig mehr Sichtbarkeit erhalten oder aber in weniger sichtbaren Branchen, in denen der Fachkräftemangel erst auffällt, wenn Lieferketten unterbrochen werden. Allerorts fehlt es an geeignetem Personal. Von daher sollten wir kaum noch vom Fachkräftemangel sprechen, sondern eher von einem Arbeitskräftemangel. Das komische (nicht im Sinne von witzig) an dieser Entwicklung ist allerdings, dass sie nicht überraschend kommt. Denn jede halbwegs fundierte Demografieanalyse der 2010er Jahre hat darauf hingewiesen, dass die Generation der Babyboomer vom Arbeitsmarkt verschwinden wird und nachhaltige Lösungen gesucht werden.

Ideenlose Arbeitgeber soweit das Auge reicht

Es ist nun 2022 und es gibt tatsächlich nur wenig bahnbrechende Lösungsansätze. Viele Arbeitgeber versuchen das Problem auf die traditionelle Art und Weise zu lösen: Post & Pray. Das bedeutet, sie veröffentlichen eine Stellenanzeige und beten (zu wem auch immer), dass sich geeignete Kandidaten auf die Stelle bewerben. Oder sie rufen verzweifelt den nächstbesten Headhunter an, in der Hoffnung, dass dieser mehr Ideen hat als man selbst, um geeignete Kandidaten zu finden. Beides kann natürlich funktionieren. Die Realität vieler Unternehmen sieht allerdings aus. Daher habe ich hier vier wirkungsvolle Tipps, wie du dich und dein Unternehmen gegen den Arbeitskräftemangel aufstellen kannst.

Tipp 1: Fokussiere Dich nicht auf Personalgewinnung

Klingt verrückt, ist aber so! Wenn du dich darauf konzentrierst, dass bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei dir bleiben – und zwar gerne – dann führt das zum einen zu einer längeren Bindung und zum anderen zu einer höheren Performance. Außerdem brauchst du dann nicht so viele Löcher stopfen. Identifiziere die Treiber, warum sie gerne bei euch arbeiten und baue diese weiter aus. Vergiss aber nicht nachzufragen, was ihnen fehlt und verbessere die Dinge, die sie bis dato kritisieren oder die sie sogar zu einem Wechsel bringen oder zwingen. Bevor du dich also darum kümmerst neues Personal einzustellen, solltest du dich vor allem darauf fokussieren, offene Baustellen zu schließen und verhindern, dass gute oder bessere Mitarbeiter dein Unternehmen verlassen. Alles andere ist ein Kampf gegen Windmühlen. Also, warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?

Tipp 2: Lass dich nicht auf ein Wettbieten ein

Unabhängig von der Inflation erhöhen viele Unternehmen die Gehälter für Neueinstellungen. Das alleine bringt dich allerdings nicht weiter. Warum nicht? Erstens, weil deine Wettbewerber das auch tun. Mitarbeiter, die du vor allem wegen besserer Konditionen gewinnst, wirst du vermutlich nicht dauerhaft halten können (wenn so etwas wie dauerhaft überhaupt noch möglich ist). Wenn es das nächste Mal auf dem Arbeitsmarkt zu Engpässen kommt, werden sie vermutlich die Ersten sein, die sich wieder für ein höheres Gehalt und weniger für die Inhalte entscheiden. Das Gehalt, das du anbietest, beschränkt sich ohnehin nur auf die Arbeitsleistung selbst und nicht etwa auf die dauerhafte Loyalität.

Zweitens werden sich auch die derzeitigen Kollegen darüber ärgern, dass die Neuzugänge mehr verdienen als sie selbst. Und das, obwohl sie im Zweifel dort schon viel länger tätig sind. Im Ergebnis führt dies zu einer einseitigen Gehaltsstruktur und einer komplizierten nächsten Bewertungsrunde führen. Jeder wird unabhängig von seiner Leistung eine Gehaltserhöhung fordern, die dieser Entwicklung Rechnung trägt. Neueinstellungen sollten daher unbedingt in die aktuelle Gehaltsstruktur passen. Auf diese Weise wissen auch neue Mitarbeiter, dass du allen, die bereits für das Unternehmen arbeiten, gegenüber fair bist.

Was du jedoch tun kannst, ist, diesen Moment zu nutzen, um einen kritischen Blick auf deine bisherige Gehaltsstruktur zu werfen. Wenn du eine Anpassung vornehmen willst, fang zunächst mit den Gehältern des bereits vorhandenen Personals an. Nur dann werden deine Entscheidungen dich nicht später wieder einholen.

Tipp 3: Investiere in Mitarbeiterempfehlungen

Reichweite kostet Geld – vor allem dann, wenn dein Unternehmen kaum einer kennt. Was liegt da näher als bestehende Netzwerke zu nutzen und ohne großes Werbebudget auf sich aufmerksam machen zu können? Deine derzeitigen Mitarbeiter verfügen ohne Zweifel über ein großes Netzwerk – und genau das solltest du nutzen. Gerade in diesen Zeiten ist diese Quelle eine der wesentlichen Lösungen gegen den Arbeitskräftemangel.

Wie funktioniert das aber genau? Das Prinzip ist relativ simpel. Sobald eine zu besetzende Stelle ausgeschrieben hast, bittest du deine Kollegen um Mithilfe, indem sie die Stellenausschreibung entweder in den sozialen Medien teilen oder aber jemanden direkt auf diese Stelle empfehlen. Sobald sich jemand über diesen Kanal auf die Stelle bewirbt oder sogar eingestellt werden, sollte der empfehlende Mitarbeiter eine Belohnung erhalten. Das könnte entweder ein monetärer Betrag sein, zusätzliche Urlaubstage, gebrandete Produkte eures Unternehmens oder aber spezielle Events. Die Auswahl der Benefits sollte auf jeden Fall zu eurer Kultur passen.

Aber egal ob Geld oder eine andere Belohnung: Die Einstellung über eine Empfehlung wird auf jeden Fall günstiger sein, als über viele andere externe Kanäle und vor allem günstiger als die Stelle gar unbesetzt zu lassen. Hinzu kommt, dass die durchschnittliche Qualität von Kandidaten immer besser sein wird, weil der oder die Empfehlende sich im Nachhinein nicht für diese Person entschuldigen möchte und von daher bereits vorab ein Prescreening stattfindet.

Tipp 4: Baue langfristige und nachhaltige Talent Communities auf

Mit jeder Stelle, die du heute ausschreibst, verlierst du Kandidaten von morgen. Denn eins ist doch klar. Du wirst nicht jeden glücklich machen können. Im Zweifel erzeugst du sogar eine negative Candidate Experience, wenn die Erwartungen von Kandidaten an deiner Kommunikation oder den Prozessablauf nicht matchen. Im Ergebnis werden sie sich in Zukunft nicht erneut bei deinem Unternehmen bewerben. Recruitingnerd Tim Verhoeven hat bereits in 2018 eine Rechnung aufgemacht, was eine schlechte Candidate Experience für das potenzielle Volumen deiner Kandidaten bedeutet. Es ist daher extrem wichtig, sich auch mit den Kandidaten zu beschäftigen, die vielleicht noch nicht ins Profil passen und eventuell zu einem späteren Zeitpunkt interessant werden könnten. Hierfür kannst Talent Communities aufbauen, um mit speziellen Zielgruppen wie z.B. Silver Medalists, Empfehlungen, Initiativbewerbungen oder Alumni über einen längeren Zeitpunkt in Kontakt zu bleiben und sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut von einer Bewerbung überzeugen.

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