Mehr Schein als Sein – Warum das Entgelttransparenzgesetz wirkungslos ist

Das Entgelttransparenzgesetz ist da! Aber was bringt es?

Seit dem 06. Januar 2018 gibt es per Gesetz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht, zu erfahren, was Kollegen verdienen. Durch den individuellen Auskunftsanspruch sollen vor allem Frauen die Möglichkeit erhalten, mehr Gehaltstransparenz einzufordern. Ziel des Ganzen ist es, das Gender-Pay-Gap zu schließen. 

Was ist das Gender-Pay-Gap?

Das Gender-Pay-Gap bezeichnet den prozentualen Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen. Im Durchschnitt verdienten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Frauen in Vollzeit 2016 21 Prozent weniger (!!) als ihre männlichen Kollegen. Die Dunkelziffer liegt allerdings noch viel höher, wenn man bedenkt, dass bei dieser Zahl Gehälter von Frauen und Männern branchenübergreifend verglichen wurden. Fakt ist nämlich auch, dass Frauen häufiger in schlechter bezahlten Branchen und Berufen (wie z.B. Erziehung und Pflege) arbeiten. Zudem sind sie weniger oft in Führungspositionen vertreten und häufiger als Männer im Niedriglohnsektor tätig. Gute zwei Drittel der Lohnunterschiede gehen auf strukturelle Umstände zurück.

Was soll das Entgelttransparenzgesetz nun dagegen tun?

Das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen versucht den Anspruch durchzusetzen, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit auch ein gleiches Entgelt erhalten. Eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist also verboten. So weit so bekannt. Neu an dem Gesetz sind jedoch drei wesentliche Bestandteile: der individuelle Auskunftsanspruch, das betriebliche Prüfverfahren und die Berichtspflichten.

Auskunftsanspruch

Arbeitgeber sind verpflichtet, auf Nachfrage das durchschnittliche Entgelt einer Vergleichsgruppe mit mindestens 6 Personen des anderen Geschlechts im Unternehmen sowie zwei weitere Entgeltbestandteile offenzulegen. Die Auskunft ist für Arbeitnehmer nur alle zwei Jahre möglich. Voraussetzung für den individuellen Auskunftsanspruch ist, dass im Betrieb mindestens 200 Personen beschäftigt sind.

Das Gesetz hält natürlich noch die ein oder andere Ausnahme parat. Wer herausfinden möchte, inwieweit sein Arbeitgeber vom Auskunftsanspruch betroffen ist, kann beim BMFSFJ den Quickcheck machen.

Betriebliches Prüfverfahren

Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten werden zusätzlich aufgefordert, alle fünf Jahre ein betriebliches Prüfverfahren zur Lohngleichheit durchzuführen. So soll das Vergütungssystem derjenigen Unternehmen auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots überprüft werden. Man liest es schon heraus. Es ist lediglich eine Soll-Vorschrift und keine Verpflichtung. Wer sich aktuell mit dem Prüfverfahren beschäftigt, dem lege ich den Entgeltgleichheits-Check der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ans Herz. Mit diesem Check kann anhand von Prüffragen festgestellt werden, ob es Verstöße gegen die Prinzipien “Gleiche Arbeit, gleiches Entgelt” sowie “Gleichwertiges Entgelt für gleiche Arbeit” gibt.

Berichtspflicht

Hinzu kommt eine Berichtspflicht für Unternehmen, die der Lageberichtspflicht des HGB unterliegen. Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten müssen ebenfalls alle fünf Jahre über ihre Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und deren Wirkungen sowie ihre Maßnahmen zur Herstellung von Entgeltgleichheit für Frauen und Männer berichten. Arbeitsgeber, die keinen Tarifvertrag anwenden, müssen dieser Pflicht nur alle drei Jahre nachkommen.

Warum ist das Gesetz nahezu wirkungslos?

Soweit zu den Bestandteilen. Aber warum ist das Gesetz meiner Meinung nach nahezu wirkungslos? Die Gründe dafür sind vielfältig.

Der erste Kritikpunkt liegt darin, dass der Auskunftsanspruch nur bei Betrieben gilt, die mehr als 200 Personen beschäftigen – und auch nur dann, wenn mindestens sechs Kollegen des jeweils anderen Geschlechts einen gleichwertigen Job ausüben. Sag mal, geht’s noch?! Alleine diese Konstellation dürfte selbst in größeren Firmen schwer zu finden sein. Bei KMU sucht man diese Vergleichsgruppen wohl vergeblich. Und was bedeutet gleichwertig in der Praxis? Für Arbeitgeber wird es immer eine Differenzierung in der Auslegung (z.B. mehr Verantwortung, größeres Kundensegment etc.) geben, warum männliche Kollegen mehr verdienen sollten und somit vermeintlich nicht vergleichbar sind. Der Spielraum für Interpretationen ist bei dem Wort “gleichwertig” eindeutig viel zu hoch.

Darüber hinaus erscheint mir die Mindestgröße von 200 Beschäftigten als willkürlich gewählt. Oder gibt es etwa in Betrieben mit weniger als 200 Beschäftigten keine Ungleichheit? Ich behaupte das Gegenteil! Gerade in kleineren Betrieben ohne tarifliche Bindung ist das Potential für eine ungleiche Entlohnung größer, da es einfach deutlich seltener standardisierte Stellenbewertungsprozesse gibt, die die sachliche Grundlage dafür bilden, dass es in der Gehaltslandschaft gerecht und diskriminierungsfrei zugeht.

Jetzt nehmen wir mal an folgendes Szenario an: eine Mitarbeiterin, die die Voraussetzungen erfüllt (min. 200 Beschäftigte und 6 männliche Kollegen in einer gleich(wertig)en Tätigkeit), will ihren individuellen Auskunftsanspruch geltend machen. Dann hat sie zwei Möglichkeiten: entweder sie wendet sich an ihren Betriebsrat, falls vorhanden, der das Ganze anonymisiert an die zuständige Personalabteilung weiterleitet oder sie wendet sich direkt schriftlich an ihren Arbeitgeber mit dem Risiko negativ aufzufallen. Dieser Umstand ist also schon eine riesige Hürde. Selbst in großen Konzernen, scheint sich entweder niemand zu trauen oder es scheint niemanden zu interessieren, denn bisher gab es dort außer in der Bankenbranche kaum nennenswerte Auskunftsanfragen. Nehmen wir an, die Mitarbeiterin hätte diese Hürde genommen. Was erwartet sie dann? Sie erhält als Ergebnis den Median der Vergleichsgruppe von mindestens 6 ihrer männlichen Kollegen, was für sie wiederum kaum Aussagekraft haben kann. Angenommen der Mittelwert ist höher als ihr aktuelles Entgelt, was dann? Nichts! Denn das Gesetz hilft ihr nicht bei der Durchsetzung des Anspruchs auf Lohngleichheit. Außerdem sieht das Gesetz keinerlei Sanktionen bei ungleicher Behandlung vor.

Vorbild Island

Obwohl Island gerade einmal so groß ist wie Bielefeld, können wir in puncto Lohngleichheit viel von ihnen lernen. Dort wurde nämlich per Gesetz beschlossen, dass alle Unternehmen ab einer Größe von 25 Mitarbeitern seit Jahresbeginn dokumentieren müssen, dass sie Frauen und Männer gleich(wertig) bezahlen. Das ist meiner Meinung nach ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. Denn nur durch eine Nachweispflicht der Betriebe kann man Frauen den schwierigen Weg durch die Institutionen ersparen, der ihnen fast schon Nachteile, die in der Folge entstehen können, garantiert. Der Aufwand, der Arbeitgebern durch eine Nachweispflicht entstehen würde, hält sich meines Erachtens in Grenzen. Schließlich liegen alle Gehaltsdaten bereits vor und können mit bestehenden Systemen dokumentiert werden. In Zeiten von Big Data und KI sollte eine ordentliche Auswertung der Entgeltgruppen doch kein wirkliches Problem darstellen.

Der Schein trügt

Allein schon sprachlich ist das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) bzw. Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen ein Graus. Aber das nur nebenbei. Es hört sich insgesamt nach mehr Wirkung an, als letztlich darin steckt. Doch das Entgelttransparenzgesetz hat (noch) nichts mit Lohngerechtigkeit oder gar Lohngleichheit tun. Mehr Schein als Sein also, denn es fehlt ähnlich wie bei Placebos der Wirkstoff. Sprich: Dadurch dass es keine wesentlichen Sanktionen oder Nachweispflichten enthält, liegt es weiterhin eher am guten Willen von Arbeitgebern das Gender Pay Gap zu schließen. Das hat bisweilen ebenso wenig funktioniert, wie ein ausgewogener Anteil von Frauen in Vorständen, deren Anteil aktuell bei mickrigen 8% liegt. Es bleibt also zu hoffen, dass die deutsche Gesetzgebung näher an ihr isländisches Pendant heran rückt und das Gender Pay Gap durch gesetzlich zwingendere Rahmenbedingungen schließt.

Übrigens findet jedes Jahr im März die deutsche Version des Equal Pay Day statt. Eine Aktion, die ich gerne aktiv unterstütze.

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