Nein, das hier ist nicht die 2022er Ausgabe von Goethe’s Meisterwerk, sondern eine Analyse dessen, welchen Einfluss die Pandemie auf den Berufseinstieg junger Menschen hat. Corona ist mittlerweile seit mehr als zwei Jahren präsent und somit fester Bestandteil unseres Alltags. Wenn es um unser Arbeitsleben geht, sind wir alle seitdem (zwangsweise) etwas flexibler geworden und haben uns neu organisieren müssen. Wie steht es aber um diejenigen, die gerade erst ins Arbeitsleben starten oder gestartet sind? Die Jobbörse Absolventa hat über ihre Portale Absolventa.de und Azubi.de Berufseinsteiger:innen und Studierende in den letzten beiden Jahren begleitet und immer wieder nachgefragt, wie die jungen Talente den Arbeitsmarkt erlebt haben und wie sich die Pandemie auf die Berufswahl und Jobsuche ausgewirkt haben.
Reduziertes Maß an Planbarkeit
Corona hat in den letzten zwei Jahren sowohl im positiven als auch negativen Sinne seine Spuren hinterlassen. Menschen arbeiten verstärkt im Homeoffice. Hybride Arbeitsmodelle werden zum Normalfall. Digitalisierungsprojekte haben einen extremen Schub bekommen. Es finden deutlich weniger Dienstreisen statt. Psychische Erkrankungen haben zugenommen. Es treten vermehrt Lieferengpässe auf. Je nach Branche schauen Unternehmen mal optimistischer und mal pessimistischer in die Zukunft. Und diese Entwicklung ist eben nicht spurlos an jungen Menschen vorbeigegangen, die eben genau in dieser Zeit die Schule oder das Studium beendet haben und sich in dieser ungewöhnlichen Zeit um die Berufsauswahl kümmern bzw. ihren Berufseinstieg vor der Brust hatten bzw. haben.
Hat Corona die Berufsauswahl beeinflusst?
Schauen wir uns zunächst die Zielgruppe der Ausbildungssuchenden an. Für etwa mehr als die Hälfte aller Befragten hat Corona einen Einfluss auf die Berufswahl und führt im Zweifel dazu, dass sie sich wegen der Pandemie für einen anderen Beruf entscheiden. Für diese Gruppe sind die systemrelevanten und unverzichtbaren Berufe deutlich in der Gunst gestiegen, weil diese krisensicherer scheinen als andere. Außerdem machen sich viele Gedanken darüber, ob die geplante Ausbildung oder der angestrebte Berufszweig überhaupt noch der richtige ist oder ob eine Neuorientierung notwendig ist. Auf der anderen Seite ist sich die andere Hälfte sicher, dass sie sich für den richtigen Beruf entschieden haben oder entscheiden werden und eine Umorientierung nicht (mehr) notwendig ist.

Wie sehr hat Corona aber die Ausbildungssuche beeinflusst?
Von über 1.000 Befragten gaben insgesamt 55% an, dass Corona ihre Ausbildungssuche in der Form beeinflusst hat, dass sie entweder große Schwierigkeiten hatten einen Ausbildungsplatz zu finden oder ihre Traumausbildung wegen Corona nicht machen zu können. Da bleibt die Frage natürlich offen, ob wirklich jede:r Berufseinsteiger:in auch bei der Berufswahl bleiben wird oder wir in den nächsten 1 bis 3 Jahren erleben werden, dass viele entweder auf einen anderen Beruf umsteigen oder sogar ganz abbrechen, weil sie mit der angebotenen Alternative unzufrieden waren.

Negative Candidate Experience durch Corona
Mehr als die Hälfte aller Befragten hat durch die Corona-Pandemie zudem negative Erfahrung bei der Bewerbung machen müssen. Und zwar entweder weil sie ihren Ausbildungsplatz verloren haben, obwohl er fest zugesagt war oder weil es zu wesentlichen Verzögerungen im Bewerbungsprozess gekommen ist. Der erste Punkt wiegt natürlich extrem schwer und wird das Employer Branding derjenigen Arbeitgeber nachhaltig beschädigen, auch wenn es für diese Entscheidungen triftige Gründe geben wird. Ich möchte aber bezweifeln, das Wohl und Wehe eines Betriebs davon abhängen, dass ich kurzfristig meine Cash-Situation verbessere, indem ich auf Auszubildende verzichte, die ich langfristig benötige, weil ich an anderer Stelle mit einem Fachkräftemangel konfrontiert werde.
Dass Corona gerade zu Beginn zu Verzögerungen im Bewerbungsprozess geführt hat, ist aus Arbeitgeberperspektive natürlich nachvollziehbar, wenn entsprechende digitale Prozesse noch nicht vorhanden waren. Das wiederum führt eben dazu, dass potenzielle Kandidat:innen sich bei weiteren Arbeitgebern bewerben, um das Risiko am Ende ohne Ausbildungsplatz dazustehen abzumildern.

Schauen wir auf die Zielgruppe der Studierenden hat knapp die Hälfte von ihnen ebenso negative Erfahrungen während der Pandemie sammeln müssen. Die Gründe sind dabei vergleichbar zur Zielgruppe der Azubis. Entweder wurde verspätet bzw. gar nicht auf ihre Bewerbung reagiert oder im schlimmsten Fall wurde die Zusage gar wieder zurückgenommen. Ein Phänomen, dass vor allem zu Beginn der Pandemie zu beobachten war, sich danach aber auch nicht dramatisch verbessert hat. Schließlich sind sehr viele Praktikumsmöglichkeiten für Studierende in den letzten zwei Jahren eingestampft oder reduziert worden, weil deutlich mehr Personen Homeoffice-Möglichkeiten wahrnehmen (müssen) und dadurch nicht mehr denselben Betreuungsaufwand während eines Praktikums gewährleisten können. Studierende konnten daher relativ früh als Verlierer:innen der Pandemie ausgemacht werden.

Wie informieren sich Studierende über Arbeitgeber, wenn keine Events stattfinden?
In den letzten zwei Jahren sind eine ganze Menge von Events oder Veranstaltungen entweder nur sehr eingeschränkt möglich gewesen oder häufig sogar komplett weggefallen. Solche Gelegenheiten eignen sich insbesondere für Schüler:innen und Studierende, um Arbeitgeber und Berufsbilder kennenzulernen, nach denen sie vielleicht nicht sofort gesucht hätten.
Manche Arbeitgeber waren natürlich sehr kreativ und haben die Initiative ergriffen, um ihre digitale Präsenz zu verbessern und sich den jungen Zielgruppen über unterschiedliche Kanäle besser zu präsentieren. Schaut man sich die Ergebnisse der Befragten auf Absolventa an, zeigt sich hier das erwartete oder sogar fast schon selbstverständliche Bild, dass insgesamt 85% der potenziellen Kandidat:innen ihre Suche im Internet verstärkt haben, um sich auch weiterhin bestmöglich nach ihrem Wunscharbeitgeber oder Traumberuf zu informieren.

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Wie wichtig ist Home Office für die Future Talents?
Wer an seine Studienzeit zurückdenkt, wird sich nicht nur an Lehrinhalte erinnern, sondern vor allem auch an Personen und Erlebnisse, die diese Zeit zu einer besonderen gemacht haben. Da klingt es fast unvorstellbar, dass Studierende teilweise mehr als vier Semester auf Präsenzveranstaltungen und soziale Kontakte zu Kommiliton:innen verzichten mussten und sich im Zweifel erst ab dem 5. Semester erstmals persönlich kennengerlernt haben.

New Work: Was erwarten Future Talents von ihrem zukünftigen Arbeitgeber?
Jo Diercks hat sich in der letzten Woche ebenfalls Gedanken darüber gemacht, ob Unternehmen Workation ermöglichen sollten oder sogar müssten.

Es bleibt zu hoffen, dass sich der Arbeitsmarkt für Future Talents in den nächsten Monaten so langsam wieder normalisiert, um mögliche langfristige Schäden für die deutsche Wirtschaft und den Arbeitsmarkt abzuwenden. Denn eins ist doch völlig klar: Schaut man sich das aktuelle Volumen an Stellenausschreibungen (+50% des Vor-Corona-Niveaus) und die demographische Entwicklung, wird jede:r Einzelne benötigt, um den Fachkräftemangel auch nur ansatzweise zu entgegnen. Und hoffentlich heißt es für die allermeisten Future Talents dann wie bei Goethe: “Kurz und gut, ich habe eine Bekanntschaft gemacht, die mein Herz näher angeht…”
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Vielen Dank für den tollen Beitrag zu diesem aktuellen Thema. Corona hat wirklich alles verändert. Wir bei uns erlauben leben es bereits. Einer unserer Mitarbeiter ist gerade in Spanien und arbeitet von dort aus. Seine Familie macht parallel Urlaub. Das wünschen sich, nachdem Corona in unser Arbeitsleben eingetreten ist, viele Arbeitnehmer.