Als ich zwischen den Feiertagen meine Zeit genutzt habe, um meine Papiere zu sortieren und Ordnung in das Chaos zu bringen, ist mir der Ordner mit alten Gehaltsabrechnungen in die Hände gefallen. Nennt mich einen Ordnungsfanatiker, aber ich habe bisher jede Gehaltsabrechnung aufbewahrt, die ich in meinem Berufsleben erhalten habe. Dabei ist mir vor allem aufgefallen, dass meine allererste Gehaltsabrechnung damals nahezu genau so aussieht wie heute. Aber warum ist das so? Ist die Gehaltsabrechnung die Konstante in HR, die bereits bis zur Perfektion weiterentwickelt wurde oder ist sie einfach nur unveränderbar, und der Prozess dahinter innovationsfeindlich?

Meine erste Gehaltsabrechnung

Meine erste Gehaltsabrechnung stammt aus dem Milleniumsjahr. Ich gehöre also offensichtlich zur vielzitierten Generation Y, die mittlerweile gar nicht mehr so jung ist. Der aufmerksame Beobachter wird gesehen haben, dass diese Gehaltsabrechnung zwei Auszahlungsbeträge ausweist – einmal in Euro und einmal in D-Mark. Für die jüngeren Semester unter euch: Der Euro wurde am 1. Januar 1999 als Buchwert eingeführt bevor er drei Jahre später – am 1. Januar 2002 – als Bargeld verfügbar war. Zu der Zeit habe ich im Auftrag der Deutschen Telekom Kunden telefonisch zu ISDN-Anschlüssen beraten. Man könnte also behaupten, dass ich damals schon daran gearbeitet habe, die digitale Transformation voranzutreiben. 😉

Was hat sich in den letzten 20 Jahren bei der Gehaltsabrechnung verändert?

Optisch relativ wenig. Wenn ich meine erste Gehaltsabrechnung mit der letzten Abrechnung aus Dezember 2021 vergleiche, dann hat sich außer der Gehaltshöhe nicht wirklich viel verändert. Damals wie heute enthält die Gehaltsabrechnung folgende Daten:

  • Persönliche Daten wie Name und Anschrift
  • Steuerdaten
  • Sozialversicherungsdaten
  • Vertragsdaten
  • Arbeitszeiten, Urlaubs- und Krankheitstage
  • Abrechnungzeitraum
  • Erstellungsdatum

Auch bei der Berechnung der Monatsbezüge hat sich an der Systematik quasi nicht viel verändert. Warum auch?! Nichtsdestotrotz ist für den Endkunden kaum nachvollziehbar, wie die Beträge zustande kommen bzw. wie sie berechnet werden, welche Beitragssätze gelten und warum manche Beträge steuerfrei sind und andere wiederum nicht. Was sich im Wesentlichen verändert hat, ist der Zugang. Heute ist es relativ einfach möglich, die Postzustellung zu vermeiden und die Gehaltsabrechnung monatlich zum Download anzubieten. Im Bestfall gibt es sogar einen Employee Self Service, der es mir als Mitarbeiter ermöglicht, meine Änderungsmerkmale vorab online einzutragen und zu melden.

Customer Centricity beim Produkt Gehaltsabrechnung

Obwohl ich nun seit mittlerweile über 20 Jahre im Beruf und seit nahezu 15 Jahren in HR tätig bin, geht es mir mit meiner Gehaltsabrechnung dennoch jeden Monat so wie Altkanzler Helmut Schmidt bei seiner Regierungserklärung 1976:

Ich verstehe auch meine eigene Gehaltsabrechnung nicht. Es gibt wahrscheinlich Millionen von Menschen, die ihre eigene Lohnabrechnung nicht nachvollziehen können. Das hat nicht mit allgemeinem Kulturpessimismus zu tun, sondern damit, dass es in den Büros, die das machen, Leute gibt, die sich nicht in Lage anderer versetzen, nicht gehörig in die Lage der anderen versetzen, ihrer Konsumenten versetzen.

Helmut Schmidt, Bundeskanzler a.D.

Abkürzungsverzeichnis notwendig

Jeder Gehaltsabrechnung sollte meiner Meinung nach ein Abkürzungsverzeichnis beigefügt sein, um alle Angaben überhaupt entschlüsseln zu können. Oder wer weiß schon genau, was es mit Ki.-St.-AN, AN-Anteil RV fr./pr. oder Abr.grp. gemeint ist? Unabhängig davon ist die Berechnungsgrundlage der einzelnen Abzüge für Mitarbeiter nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln oder nur mit einem Abschluss als Steuerberater zu entmystifizieren.

Natürlich ist die Erstellung einer Gehaltsabrechnung komplex – vor allem in größeren Unternehmen, in denen es Tausende Variationen gibt. Ist es dann nicht umso wichtiger den Inhalt zu simplifizieren? Hier sind vor allem der Gesetzgeber gefragt, den Prozess trotz fortschreitender Digitalisierung zu entbürokratisieren. Doch auch Lösungsanbieter im Payroll-Umfeld fehlt es hier aus meiner Perspektive an Kundenzentrierung und Ideenreichtum. Vielleicht steht hier zu häufig einfach der zahlende Arbeitgeber und nicht etwa der einzelne Mitarbeiter im Fokus.

Fehlende Wertschätzung für Payroll-Teams

Die Gehaltsabrechnung ist einer der Kernprozesse in HR (manchmal auch in Finance), der immer funktionieren muss. Die Fehlertoleranz geht hier gegen Null geht. Doch selten schaffen es Payroll-Teams auf die große Bühne – weder intern noch extern. Sie sind gefühlt häufig das Stiefkind, das niemals glänzen kann und darf. Von ihnen wird einfach erwartet, dass sie funktionieren. Tun sie es nicht und ist die Gehaltsabrechnung einmal fehlerhaft, ist das Geschrei sofort groß. Teilweise natürlich zurecht, weil jeder Mitarbeiter für seine Arbeit korrekt und zum vereinbarten Termin entlohnt werden will und im Extremfall sogar seine Arbeit einstellt. Fehler können also unmittelbar geschäftskritisch werden.

Auf der anderen Seite erfahren die Kolleginnen und Kollegen aus der Gehaltsabrechnung nur selten die Wertschätzung, die ihnen eigentlich zustehen würde. Vermutlich gibt es in den meisten Unternehmen sogar nur selten operative oder administrative Prozesse, die so einwandfrei und geräuschlos funktionieren wie die Gehaltsabrechnung. Daher an dieser Stelle ein riesiges DANKESCHÖN an alle HR-Kolleginnen und -Kollegen da draußen, die für die Payroll verantwortlich sind. Ihr macht einen großartigen Job! 🙏

Wie sehen Gehaltsabrechnungen in den nächsten 20 Jahren aus?

Ich glaube, man muss kein Hellseher sein, um festzustellen, dass sich die Gehaltsabrechnung aus Konsumentensicht auch in den nächsten 20 Jahren nicht maßgeblich verändern wird. Vielleicht ändert sich der Zugang oder die Art der Übermittlung noch einmal. Vielleicht werden auch Analysetools für Mitarbeiter verfügbar, die bestimmte Gehaltsvergleiche ermöglichen, Gehaltsentwicklungen sichtbar machen oder eigene Hochrechnungen erlauben. Wer weiß das schon?!

Aus Sicht eines Gehaltsabrechners hat sich natürlich wesentlich mehr verändert. Es gibt die Lohn- und Gehaltsabrechnung heutzutage auf Knopfdruck mit viel mehr Automatisierungen für Routineprozesse, einfachen Exporten und Schnittstellen für Meldungen, digitalen Workflows, Payroll-Forecasts, oder simplen Probeabrechnungen. Es wird sich allerdings noch jede Menge mehr verändern: Fortschritte auf Gebieten wie robotergesteuerte Prozessautomatisierung , Internet der Dinge (IoT), künstliche Intelligenz (KI) oder Blockchain Technologien werden die Gehaltsabrechnung auf jeden Fall intelligenter gestalten als bisher. KI-basierte Analysemöglichkeiten können bspw. Zusammenhänge besser sichtbar machen, prädiktive Aussagen ermöglichen und somit stärker in unternehmensstrategischen Entscheidungen einbezogen werden.

Für mich wären Simplifizierung und Transparenz auf jeden Fall die beiden zentralen Punkte, die massiv verbessert werden müssten. Hier kommt es aber vor allem auf den Gesetzgeber an, die Gehaltsabrechnung nachvollziehbarer als bisher zu gestalten. Auf der anderen Seite sind die Lösungsanbieter im Payroll-Umfeld in der Pflicht ihre Software-Lösungen so nutzerorientiert weiterzuentwickeln, dass die Employee Experience deutlich verbessert werden kann!

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