Mit Karrieremessen Gutes tun?! – Auf ein Wort mit Martin Maas

Wenn wir momentan von Messen hören, dann vor allem weil sie wegen des Coronavirus abgesagt werden, um die aktuelle Ansteckungsgefahr einzudämmen und das Risiko weiterer Infizierungen zu minimieren. Doch fernab von Vorsichtsmaßnahmen, Massenhysterien und Hamsterkäufen entstehen immer wieder neue Ideen rund um die Ausgestaltung von Messeauftritten. Eine Idee, die mir besonders gut gefällt, kommt von Helvetia aus der Schweiz. Martin Maas ist für sie verantwortlich und gibt uns einen Einblick.

Hallo, Martin! Schön, dass du die Zeit für dieses Interview gefunden hast. Stelle dich doch kurz den Lesern vor und sag uns, was du beruflich so machst.

Sehr gern. Ich feiere dieses Jahr mein zehnjähriges Employer Branding Jubiläum. Nach sieben Jahren globalem Employer Branding bei Daimler, bin ich seit ziemlich genau drei Jahren bei Helvetia, einem der größten Versicherer der Schweiz. Hier verantworte ich fachlich die gruppenweite Arbeitgeberpositionierung, alle Personalmarketingaktivitäten innerhalb der Schweiz sowie die Recruitingstrategie.

Wenn ich an Versicherungen als Arbeitgeber denke, fällt mir sofort die TV-Serie Stromberg ein. Was unterscheidet die Helvetia von Stromberg’s Capitol?

Ehrlich gesagt, war das auch meine erste Assoziation, bevor ich bei Helvetia startete – und das ist eine der größten Herausforderungen der Branche. Denn eine Versicherung strahlt nicht durch Innovationskraft, Heldengeschichten und High-Tech Produkte und das macht es im Recruiting für einzelne Zielgruppen manchmal etwas schwer.

Helvetia hat vergleichsweise früh erkannt, dass sich das Modell “Versicherung” verändern wird und muss und hat seine Strategie entsprechend angepasst. Um bei deinem direkten Vergleich mit Stromberg zu bleiben, haben wir eine gute Kantine, legen hohen Wert auf moderne Führungskräfteausbildung, vergeben keine Parkplätze nach Dienstrang und haben verstanden, dass Mitarbeiterengagement mehr ist, als nur eine Mecker-Box aufzustellen. Spaß beiseite – Kulturarbeit braucht Kraft, Zeit und vor allem Ausdauer. Helvetia hat die richtigen Weichen gestellt, hat die “Stromberg-Zeiten” schon lange hinter sich gelassen und kann sich heute in einigen Themen schon mit den ganz Großen messen.

Ihr setzt seit ein Paar Tagen auf ein neues Konzept rund um euren Auftritt bei Hochschul- und Karrieremessen. Aber sind Karrieremessen überhaupt noch ein probates Mittel in den 20er Jahren?

Die klassischen Hochschul- und Karrieremessen sind für mich auch ein Auslaufmodell. Aus diesem Grund haben wir unsere Aktivitäten hier in den letzten beiden Jahren sehr stark auf einzelne Messen konzentriert und im gleichen Schritt vermehrt auf Inhouse-Events gesetzt, zu denen wir unsere Zielgruppen direkt einladen. Am Ende ist es, wie so oft, der gesunde Mix. Daher haben wir unser neues “Konzept” auch so gestaltet, dass wir dafür nur unsere Zielgruppen vor Ort brauchen, egal ob auf einer Hochschulmesse, auf MeetUps oder anderen Inhouse Events. Die Idee funktioniert überall dort, wo Menschen sind.

Wie sieht euer Konzept denn konkret aus und was macht euren neuen Messeauftritt so besonders?

Wir haben im Dezember 2019 ein Thema diskutiert, das wahrscheinlich viele im Personalmarketing kennen. Es ging darum, welche Give-Aways wir denn im neuen Jahr mit auf unsere Events nehmen möchten. Nach wenigen Minuten sind wir an einem Punkt in der Diskussion angelangt, an dem wir uns gefragt haben, ob es überhaupt noch Give-Aways braucht, welchen Mehrwert und Sinn denn Kugelschreiber, Notizbücher etc. haben, was der Eventteilnehmer darüber denn über uns und unsere Kultur lernt und ob es genau das Erlebnis ist, das wir einem Teilnehmer mit nach Hause geben möchten. Die Entscheidung stand: Wir lassen keine Give-Aways mehr produzieren, schonen damit noch die Umwelt und reinvestieren unser Geld lieber in etwas Sinnvolles und Nachhaltiges.

Daraus entstanden ist unsere Social Give Away Maschine. In dieses stylische Gerät kann ich als Eventbesucher den sogenannten “Helvetia Coin” einwerfen. Dieser aktiviert einen Bildschirm, der mich durch einen Prozess führt. Ich bekomme erklärt, warum es bei uns am Stand keine Kugelschreiber und andere Give-Aways mehr gibt und dass ich nun die Chance habe, mit meinem Helvetia Coin etwas Gutes zu tun. Der Teilnehmer erhält vier verschiedene Projekte zur Auswahl, für die er seinen Coin spenden kann. Im Nachgang kann er ein Selfie von sich und dem Logo seines Spendenprojekts machen und sich dieses direkt an seine Mailadresse schicken lassen und mit seinem sozialen Netzwerk teilen. Wir als Helvetia spenden am Ende des Jahres das Geld an diese vier Organisationen und informieren die einzelnen Spender per Mail darüber, für was genau ihre Spende eingesetzt wird.

Welche Zielgruppe wollt ihr damit konkret ansprechen? Und was glaubt ihr, wie sie auf eure Idee der „Social Give Away Maschine“ reagieren? Habt ihr schon erste Erfahrungswerte sammeln können?

Im ersten Schritt setzen wir die Maschine generell an Arbeitgeberanlässen (Karriere- und Hochschulmessen, Inhouse Events etc.) ein und haben hier ein eher jüngeres Publikum, welches sich gerade im oder in den ersten Jahren nach dem Studium befindet. Den ersten Einsatz mit unserer “Maschine” hatten wir Ende Februar am ZHAW Absolvententag in Winterthur. Ohne übertreiben zu wollen, kann ich sagen, dass die Maschine ein großer Erfolg war. Viele vermuten dahinter ein normales iPad in einer stylischen Halterung, auf dem sie dann unseren Stellenmarkt durchforsten können. Spricht man sie dann aber direkt auf die “Maschine” an und fragt sie, was sich denn dahinter verstecken könnte und was der Münzeinwurf für eine Bedeutung haben könnte, ist man mitten im Gespräch und hat die Teilnehmer bei ihrer Neugier gepackt. Ausnahmslos jeder, der an diesem Tag den Spendenprozess durchlaufen hatte, war begeistert von der Idee und teilweise peinlich ertappt, als sie in ihre Give-Away Tüten schauten, die sie auf ihrer Runde durch die Messehalle mit allerlei bedrucktem Plastik gefüllt hatten.

Welchen Benefit versprecht ihr euch als Arbeitgeber von der Aktion? Woran messt ihr, dass die Aktion ein Erfolg war?

Es gibt nicht den einen Benefit, den wir uns versprechen. Einerseits setzen wir als Arbeitgeber ein Zeichen – für den bewussten Umgang mit Ressourcen. Wir irritieren Besucher im ersten Augenblick, weil bei uns eben keine Give-Aways am Messecounter liegen, sondern Helvetia Coins. Darüber kommen wir ins Gespräch – über unsere Arbeitgeberpositionierung, die Mitarbeiter auffordert neu zu denken und Bestehendes zu hinterfragen – oder über unseren Anspruch als Unternehmen im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Darüber machen wir Haltung und Kultur direkt greif- und spürbar. Erfolgreich sind wir dann, wenn die Teilnehmer den Spendenprozess durchlaufen haben, sich dadurch mit Helvetia und den Spendenpartnern auseinandergesetzt haben und im besten Fall das Selfie, das sie machen, in Social Media teilen. Es ist das Gefühl, bei Helvetia am Stand nicht nur fachliche Informationen zu Berufs- und Karrierethemen bekommen zu haben, sondern etwas Gutes und Sinnvolles durch und mit Helvetia getan zu haben.

Ist dieser Messeauftritt denn nur eine soziale Einmalaktion, um Aufmerksamkeit zu generieren oder sind eure Aktivitäten mit weiteren CSR-Maßnahmen verknüpft?

Dieses Gerät – ich merke, dass wir zwingend einen richtigen Namen dafür brauchen – soll ab sofort bei allen größeren Arbeitgeberevents auftauchen. Mein persönlicher Wunsch ist, dass Helvetia Schweiz zukünftig auch auf allen anderen Events unser Gerät einsetzt, um noch mehr Wirkung erzielen zu können.

Erzähle uns doch mehr über die geförderten Projekte. Wer und was wird gefördert? Welche Wirkung soll durch die einzelnen Projekte entstehen? Und wie habt ihr die Projekte ausgewählt?

Insgesamt haben wir uns für vier Projekte entschieden. Diese entstanden aus mehreren Gesprächen mit unseren CSR-Kolleginnen und Kollegen und zahlen direkt auf die Helvetia Nachhaltigkeitsstrategie ein, welche sich zum Ziel gesetzt hat, Nachhaltigkeitsziele für Mensch, Gesellschaft, Umwelt und Klima zu erreichen. Nach diesen vier Kategorien haben wir auch unsere Projekte ausgewählt und unterstützen benachteiligte / kranke Kinder und deren Familien, eine Stiftung für ehrenamtliche Kinder- und Jugendprojekte, ein “Hilfe zur Selbsthilfe” Projekt in Kenia sowie eine Organisation, die sich für Klima- und Umweltprojekte engagiert. Mit dieser Bandbreite können wir auch weitestgehend sicherstellen, dass für jeden “Spender” etwas dabei ist, das ihm persönlich am Herzen liegt.

Wo kann man euren Messeauftritt in der nächsten Zeit bestaunen?

Ich hoffe, an der Generalversammlung von Helvetia – da dies aber kein direktes Arbeitgeberevent ist, werden wir das “Gerät” an einem unserer nächsten Meetups in Basel, an der OBA in St. Gallen oder auf der Gamescom wieder im Einsatz haben.

Lieber Martin, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg mit eurer Idee!

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