„Onboarding definiert sich derzeit noch durch administrative Aufgaben“ – Auf ein Wort mit Florian Baum von yuccaHR

Das Onboarding ist einer der Standardprozesse in HR und gehört in jedes Portfolio einer halbwegs gut geführten Personalabteilung. Zwischen Onboarding und Onboarding gibt es aber teils krasse Unterschiede. Während es in dem einen Unternehmen bereits als Erfolg gefeiert wird, wenn Telefonnummer, Laptop und Schreibtisch am ersten Tag eingerichtet sind, gibt es in anderen Unternehmen teils sehr individuelle Maßnahmen und Aktivitäten, die neue Mitarbeiter bereits ab der Vertragsunterzeichnung während des Preboardings bis weit ins erste Jahr hinein begleiten. Das erhöht einerseits zwar die Komplexität, führt andererseits aber dazu, dass die Frühfluktuation, also vorzeitige Abgänge von neuen Mitarbeitern unterhalb von zwölf Monaten, deutlich geringer ausfällt. Einer, der sich aufgemacht hat, diese Komplexität zu reduzieren ist Florian Baum. Mit seinem Startup yuccaHR hat er eine einfache Lösung geschaffen, wie das Onboarding zum echten Erlebnis wird und weniger Frustration bei neuen Mitarbeitern verursacht.

Hallo, Florian! Schön, dass du die Zeit für dieses Interview gefunden hast. Stelle dich doch kurz den Lesern vor und sag uns, was du beruflich so machst.

Hallo Marcel, vielen Dank für die Einladung zum Interview. Ich bin einer der Gründer von yuccaHR, einer Software für die Digitalisierung des Onboardings von Mitarbeitern. Als Mitgründer kümmere ich mich um den Vertrieb und Marketing in unserem Start-up. Nach meinem Master in Innovationsmanagement habe ich mich mit meinen Freunden Niek und Jure im August 2019 selbstständig gemacht. Uns treibt die Vision an, Unternehmen dabei zu unterstützen, Mitarbeiter sinnvoll einzuarbeiten und so die Employee Experience zu verbessern sowie das Engagement und Produktivität zu erhöhen.

Woher kennt ihr euch und wie seid Ihr auf die Idee gekommen yuccaHR zu gründen?

Florian Baum (yuccaHR)

Wir haben uns damals über Gründungsevents kennengelernt und hatten dieselbe Motivation, ein sinnvolles Startup zu gründen. Bereits vor der Gründung von yuccaHR haben wir alle prägende Erfahrungen als Unternehmer sowie Angestellte gemacht und sind dabei auf dasselbe Problem gestoßen: Die Integration in das Unternehmen als neuer Mitarbeiter entsprach nicht den Vorstellungen und war oft nicht motivierend. Das Bild des Vorzeigeunternehmens, wie es in der Bewerbungsphase vermittelt wurde, entsprach nicht selten einer Wunschvorstellung bei allen Beteiligten. Als wir uns dann die Frage gestellt haben, wie das Problem zustande kommt, sind wir auf eine wichtige Erkenntnis gestoßen. Unternehmen wollen einen grandiosen Start hinlegen, sind aber in den meisten Fällen durch festgefahrene Prozesse und fehlende Werkzeuge limitiert.

Wie einfach oder schwer ist es, während einer globalen Pandemie zu gründen? Welche Erfahrungen habt ihr dieses Jahr machen dürfen oder müssen?

Es ist definitiv eine große Herausforderung und alles andere als einfach. Im Februar 2020 hatten wir bereits zwei namhafte Kunden für Pilotprojekte gewinnen können, die dann aber nicht weiter verfolgt werden konnten. Auf der anderen Seite haben wir als Anbieter eines digitalen Onboarding Tools einen großen Bedarf bei der Frages „Wie gestalte ich das Remote Onboarding von Mitarbeitern?“ festgestellt. Genau hier sehen wir mit yuccaHR aktuell einen großen Mehrwert, den wir gut bedienen können. Dennoch ist es wie bei fast allen Trends immer eine zeitliche Entwicklung, die nicht von heute auf morgen geschieht. Wir sind dennoch zuversichtlich in der nächsten Zeit eine durchaus positive Bilanz ziehen zu können, denn der Einsatz von digitalen Tools ist präsenter denn je. Gleichzeitig haben wir dieses Jahr große Unterstützung durch Personaler erhalten und konnten uns so voll auf die Produktentwicklung konzentrieren. 

In welcher Phase eurer Entwicklung steckt ihr gerade als Startup? Seid ihr schon komplett durchfinanziert und könnt mit eurem Produkt bereits alle Wünsche von potenziellen Kunden umsetzen?

Aktuell stehen wir in den Startlöchern für unseren Produktrelease im Dezember 2020. Parallel dazu arbeiten wir mit privaten Investoren daran, unsere erste Finanzierungsrunde im Januar 2021 zu schließen und sind mehr als zuversichtlich, unser Ziel zu erreichen. Schon von Beginn an haben wir intensiv mit HR Managern und Unternehmen an unserem Produkt gearbeitet und unsere Vorstellung mit den Wünschen von Kunden abgeglichen. Genau mit diesem kundenzentrierten Vorgehen konnten wir mit yuccaHR auf wesentliche Kundenwünsche eingehen, so dass wir mit unserem Release einen großen Mehrwert bieten. Natürlich begegnen auch wir Wünschen und Anforderungen, die mehr Entwicklerkapazitäten und ein höheres Budget erfordern. Dennoch denke ich, dass man in erster Linie die Probleme und Bedürfnisse von Kunden priorisieren und verstehen muss, um so die Quintessenz herauszuarbeiten. Das gehört für mich zu einer der wichtigsten Fähigkeiten als Gründer.

Kommen wir zu eurem Tool: Wie funktioniert das Onboarding mit yuccaHR in der Praxis und worin unterscheidet es sich von anderen Lösungen? 

Im Wesentlichen unterscheidet sich yuccaHR von anderen Lösungen in der Herangehensweise und unseren Fokus auf das Erlebnis. Bekannte HR-Tools sehen Mitarbeiter als etwas Statisches an, denen Dokumente und andere Informationen zugeordnet werden. Wir sehen den Prozess in Form eines Erlebnisses. Konkret heißt das, dass Nutzer von yuccaHR über die Webanwendung in erster Linie das Erlebnis, die sogenannte Journeys, gestalten. Eine Journey ist ein Onboardingprozess, der aus verschiedenen Aktivitäten besteht. Diese kann ich ganz nach meinen Vorstellungen gestalten und so zum Beispiel persönliche Willkommensnachrichten schreiben, Dokumente übermitteln, Umfragen starten, To-Do Listen verschicken, Einarbeitungen begleiten und vieles mehr.

Wir legen den Fokus bei der Gestaltung von Onboardingprozessen auf die Zusammenarbeit aller wichtigen Stakeholder im Unternehmen und auf die Bereitstellung von Templates und vordefinierten Prozessen. Letzteres haben wir zusammen mit unterschiedlichen Experten und Anhand von Best Practices gestaltet, so dass jedes Unternehmen mit einem exzellenten Onboardingprozess aufwarten kann.

Sobald der Prozess gestaltet wurde, füge ich lediglich die neuen Mitarbeiter der Journey hinzu und alle Aktivitäten werden zur richtigen Zeit an die richtige Person übermittelt. Für eine einfache Kommunikation und Integration lässt sich yuccaHR mit nur wenigen Klicks mit Microsoft Teams, per E-Mail und Slack verknüpfen. Alle Aktivitäten werden so über die vorhandenen Kommunikationstools mit den zuständigen Mitarbeitern geteilt. In der Webanwendung kann ich dann auf einen Blick nachvollziehen, welcher Mitarbeiter sich wo im Onboardingprozess befindet und ob alles nach Plan verläuft.

Sollten diese Funktionen nicht eigentlich durch Bewerbermanagementsysteme abgedeckt werden? Schließlich sind wir hier genau an der Schnittstelle von Candidate Journey zu Employee Journey.

Es ist eine immerwährende Glaubensfrage, wann das Onboarding von Mitarbeitern beginnt. Ich denke, Bewerbermanagementsysteme sollten vor allem eines gut können: den Recruitingprozess unterstützen und die Administration und Kommunikation von Bewerbern managen. Eine Sache, die wir bei unserer Gründung schnell festgestellt haben, ist, dass ein breiter Fokus immer auf Kosten der Spezialisierung geht. Von großen HR-Tools wissen wir, dass je mehr Funktionen vorhanden sind, desto weniger gut sind einzelne Teilprozesse ausgereift. Das gilt auch für Bewerbermanagementsysteme. Meiner Meinung nach liegt die Lösung in der Kommunikation der einzelnen Tools, so dass der Nutzer das beste Erlebnis hat.

Kann ich euer Tool irgendwo testen?

Mit unserem Launch Ende Dezember kann jedes Unternehmen yuccaHR über unsere Webseite für 30 Tage kostenlos testen. Damit eine Integration in das Unternehmen möglichst einfach und unkompliziert läuft, lässt sich yuccaHR in Microsoft Teams und Slack integrieren. Ich gebe aber auch immer gerne eine persönliche Demo von yuccaHR.

Für welche Unternehmensgrößen und -arten eignet sich yuccaHR ganz besonders? Ist yuccaHR auch international einsetzbar?

Aktuell konzentrieren wir uns bewusst auf mittlere Unternehmen in Deutschland. Von diesen haben wir seit unserer Gründung nicht nur grandioses Feedback bekommen, sondern auch die meisten Anfragen. Gerade in Unternehmen mit 100 bis 500 Mitarbeitern kann unser Tool seine Vorteile voll ausspielen. Doch auch kleinere und wesentlich größere Unternehmen fragen uns an, wenn sie ihren Onboardingprozess digitalisieren wollen. Mit der aktuellen Pandemie ist vielen Unternehmen bewusst geworden, wie wichtig ein erstklassiger Onboardingprozess ist und das Remote Onboarding eine große Herausforderung sein kann. 

yuccaHR ist auch international einsetzbar. Die Standardsprache unserer Software ist Englisch. Weitere Sprachen folgen zeitnah. In der Software selbst kann ich als Unternehmen auch unterschiedliche Abteilungen und Admins hinzufügen, so dass die Software auch für unterschiedliche (internationale) Standorte einsetzbar ist. 

Welcher Aufwand kann durch yuccaHR reduziert werden? Ersetzt yuccaHR bestehende Tools & Prozesse, die bereits in Unternehmen vorhanden sind oder wird ein durch diese Art des Onboardings ein völlig neuer Prozess geschaffen?

Aus unserer Erfahrung gibt es im Onboarding einen wahnsinnig großen Widerspruch. Onboarding definiert sich derzeit noch durch administrative Aufgaben, die sich mit jedem neuen Mitarbeiter wiederholen und unfassbar viel Zeit, Fokus sowie Nerven kosten. 

Letztlich soll es bei dem Prozess um den neuen Mitarbeiter an sich gehen und weniger darum, Papierkram zu erledigen. Die fachliche und soziale Integration lässt sich schlichtweg nicht über Excel-Listen, E-Mails oder andere Dokumente abbilden. Genau hier schaffen wir Abhilfe. Mit yuccaHR werden administrative, zeitfressende Aufgaben automatisiert, so dass mehr Zeit für das Wesentliche bleibt: den neuen Mitarbeiter.

Onboarding ist ein Prozess ist, der viele verschiedene Abteilungen mit einbezieht, durchschnittlich 90 Tage dauert und dabei über 50 verschiedene Berührungspunkte im Unternehmen hat. Uns ist aufgefallen, dass genau diese Faktoren Onboarding zu einem komplexen Unterfangen machen. Das geht soweit, dass viele Unternehmen nicht einmal einen Prozess definiert haben. Über 80% der Unternehmen betreiben manuelles Onboarding, vornehmlich mit Excel-Tabellen. Daher ersetzt yuccaHR keine bestehenden Tools oder Prozesse, sondern positioniert sich als dynamisches Werkzeug für HR-Manager, um endlich den Anforderungen eines guten Onboardings gerecht zu werden. Das schaffen statische HR-Tools bei weitem nicht. 

An welchen Faktoren machst du fest, dass das Onboarding eines neuen Mitarbeiters als Erfolg gewertet werden kann? Wie lässt sich das aus deiner Perspektive am besten messen?

Onboarding kann man gut mit den klassischen Faktoren wie Einarbeitungszeit, Produktivität oder Fluktuation messen. Aus meiner Perspektive sollten allerdings drei Faktoren berücksichtigt werden, um den Erfolg eines Onboardings zu bewerten. Zum einen gibt es die Must-Haves. Das sind grundlegende Sachen, die im Onboarding nicht fehlen dürfen wie Arbeitsmaterialien, Zugänge oder bestimmte Dokumente. Dann gibt es gewisse Performance-Indikatoren. Je besser diese erledigt werden, desto besser ist der Output. Darunter verstehe ich Dinge, wie die fachliche Einarbeitung, Schulungen usw. Letztlich gibt es noch die Faktoren, die weder Must-Have noch Performance-Indikator sind. Das sind die sogenannten Delighters. Damit sind die Aktionen gemeint, die neue Mitarbeiter im Onboarding nicht erwarten würden, von denen man aber positiv überrascht wird. Hierzu zählen zum Beispiel eine handgeschriebene Willkommensnachricht, ein Strauß Blumen oder eine Videobotschaft vom Team. Genau an diesen drei Faktoren und in der Reihenfolge messen wir das Onboarding. Aus unserer Erfahrung und anhand von Best Practices ist ein Verhältnis von 3:2:1 ein guter Maßstab. 

Welche Pläne habt ihr für yuccaHR in naher und ferner Zukunft? Worauf können sich interessierte Unternehmen freuen?

Bei yuccaHR motiviert vor allem eine ausgezeichnete Employee Experience. Das Onboarding ist für uns der Startschuss, gefolgt von weiteren Elementen während des Mitarbeiterlebenszyklus. In Zukunft wird yuccaHR viele verschiedene, dynamische Bereiche abdecken, nicht zuletzt Offboarding, Reboarding und Learning & Development. Für 2021 konzentrieren wir uns allerdings voll auf das Thema Onboarding, um Unternehmen ein unverwechselbares Erlebnis zu bieten. Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass genau jetzt die Zeit gekommen ist, das Thema Onboarding in all seinen Facetten anzugehen.

Lieber Florian, vielen Dank für das spannende und aufschlussreiche Interview. Ich hoffe, wir werden auch in Zukunft noch viel von dir und yuccaHR hören!

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