„Wir sehen die Pflegekräfte nicht als Ressourcen, die wir unseren Kunden verkaufen.“ – Auf ein Wort mit Dr. Jim Sellmeijer von Workbee

Der Fachkräftemangel in der Pflege ist eine der größten Herausforderungen, vor denen unser Gesundheitssystem heute steht. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, während die Zahl der Pflegekräfte nicht ausreichend wächst. Dies hat zu einer Überlastung der Pflegekräfte und zu einer Verschlechterung der Qualität der Pflege geführt. Außerdem sind die Arbeitsbedingungen mit Schicht- oder Wochenenddiensten und der vergleichsweise geringen Bezahlung wenig attraktiv, um die entstandene Lücke in den nächsten Jahren zu schließen. Ein Startup, das versucht, dem entgegenzuwirken ist Workbee. Im Rahmen meiner kleinen alllyance-Interviewserie hatte ich die Gelegenheit mit Dr. Jim Sellmeijer von Workbee zu sprechen.

Hallo, Jim! Schön, dass du die Zeit für dieses Interview gefunden hast. Stelle dich doch kurz den Leser:innen vor und sag uns, was du beruflich so machst.

Natürlich! Mein Name ist Dr. Jim Sellmeijer, CTO und Mitgründer von Workbee, einer HR-Tech-Plattform zur Vermittlung von Fachkräften in der Pflegebranche. Seit September 2020 leite ich das technische Team und bin maßgeblich daran beteiligt, Workbee von einem Recruiting-Start-up zu einer HR-Tech-Plattform mit umfassenden Jobangeboten zu entwickeln. Meine Aufgaben umfassen die Produktgestaltung, die Optimierung der Nutzererfahrung, die Transformation von manuellen zu digitalen Prozessen sowie die Implementierung intelligenter, auf maschinellem Lernen basierender Matching-Algorithmen. Ursprünglich bin ich Neurowissenschaftler und habe nach meiner Promotion über Data Science den Weg in die Tech-Welt gefunden. 

Dr. Jim Sellmeijer (Workbee),
Foto: Annemie Martin (BW Bildung und Wissen)

Wie seid ihr auf die Idee gekommen Workbee zu gründen? Was hat es eigentlich mit dem Namen auf sich? 

Die Idee zur Gründung von Workbee entstand, als wir den Fachkräftemangel in der Pflegebranche erkannten und die Schwierigkeiten, mit denen sowohl Arbeitgeber als auch Bewerber konfrontiert waren. Wir wollten eine Lösung schaffen, die den Rekrutierungsprozess effizienter und effektiver gestaltet. Unser Ziel ist es eine App zu entwickeln, die es den Menschen ermöglicht einen Job zu finden, der ihren Wünschen und Fähigkeiten entspricht. Denn wenn die Bewerber glücklich mit ihren Arbeitsplätzen sind, bleiben sie länger in ihren Positionen, was sowohl für die Arbeitgeber als auch die Bewerber ein Gewinn ist. Workbee steht für die Vision, eine Plattform zu schaffen, die Menschen dabei hilft erfüllende Jobs zu finden und dadurch den Herausforderungen des Fachkräftemangels in der Pflegebranche entgegenzuwirken. Der Name “Workbee” symbolisiert die fleißige Natur der Pflegekräfte und ihre Hingabe, anderen zu helfen. 

Wie sieht euer Weg seit der Gründung aus? Gibt es Meilensteine auf die ihr besonders stolz seid?

Seit unserer Gründung haben wir einen weiten Weg zurückgelegt und sind stolz auf das, was wir bei Workbee bisher erreicht haben. Durch den geschickten Einsatz von Social-Media-Marketing haben wir eine zuverlässige Möglichkeit gefunden, Bewerber in großen Ballungszentren sowie in kleineren Städten in ganz Deutschland zu erreichen. Ein bedeutender Erfolg war die Transformation unseres Unternehmens von einem Recruiting-Startup zu einer umfassenden Jobplattform.  Die Automatisierung und Verbesserung der Bewerbererfahrung sind für uns kontinuierliche Prozesse. Unsere Plattform wird fortlaufend optimiert, um Bewerbern eine intuitive und benutzerfreundliche Nutzung zu ermöglichen, was uns dabei hilft, ein nahtloses und positives Bewerbungserlebnis zu schaffen. Besonders wichtig ist uns auch die stetige Optimierung unseres Matching-Algorithmus, der „Passt-Genau-Filter“. Wir setzen alles daran, sicherzustellen, dass Arbeitgeber und Bewerber bestmöglich zueinander passen, um langfristige und erfolgreiche Arbeitsbeziehungen zu fördern. 

Ihr habt Workbee während der Corona-Pandemie gegründet. Wie dynamisch nimmst du die Branche seitdem wahr und wie sehr hat sich der Markt seitdem verändert?  

Die Corona-Pandemie hat die Branche stark beeinflusst und uns allen vor Augen geführt, was für eine wichtige Arbeit Menschen in der Pflege leisten – und was für schlechte Arbeitsbedingungen teilweise herrschen. Es ist nur richtig, dass Pflegekräfte sich auf die Suche nach guten Arbeitsbedingungen machen. Leider haben nach der Corona-Pandemie auch viele Menschen den Pflegesektor verlassen, was den Mangel noch verstärkt hat. Gleichzeitig hat sich der Markt verändert, da sowohl Arbeitgeber als auch Bewerber verstärkt digitale Lösungen nutzen, um Stellen zu besetzen bzw. zu finden. Wir haben diesen Wandel erkannt und unsere Plattform entsprechend angepasst, um den aktuellen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Wenn man sich Daten aus unterschiedlichen Studien anschaut, schlägt der Fachkräftemangel in der Pflege besonders hart zu. Wie sieht deine Prognose für die Arbeitsmarktsituation für die Branche aus?

Der Fachkräftemangel in der Pflegebranche ist weiterhin eine Herausforderung. Meine Prognose für die Arbeitsmarktsituation in der Branche ist, dass die Nachfrage nach qualifizierten Pflegekräften weiterhin hoch sein wird. Mit Blick auf den demographischen Wandel wird sich der Engpass sogar noch verstärken. Es ist wichtig, dass innovative Lösungen wie Workbee existieren, um Arbeitgeber und Bewerber zusammenzubringen und den Rekrutierungsprozess zu erleichtern. Aber wir können auch nur die Menschen vermitteln, die sich für den Pflegeberuf entscheiden. Deshalb muss der Beruf selbst jetzt attraktiver gemacht werden: höhere Gehälter und bessere Tarifverträge sind nur die eine Seite. Die andere Seite ist die enorme Belastung im Berufsalltag, wenn es zu wenig Pflegekräfte für zu viele Patienten gibt. Hier sind Reformen notwendig, die wir als Workbee absolut befürworten. 

Wie funktioniert Workbee konkret? Was macht die Plattform so besonders oder funktioniert sie wie jede andere Spezialjobbörse?

Workbee funktioniert etwas anders als andere Spezialjobbörsen, da wir Technologie mit menschlicher Beratung kombinieren. Unsere Plattform nutzt verschiedene Technologien, wie den “Passt-genau-Filter”, um Bewerbern die relevantesten Stellenangebote anzuzeigen. Dies hilft Bewerbern, schnell und einfach die Jobs zu finden, die am besten zu ihren Fähigkeiten und Wünschen passen. Aber bei uns endet es nicht bei der Technologie. Wir sind stolz darauf, den persönlichen Kontakt nicht verloren zu haben. Jeder Bewerber bei Workbee erhält einen persönlichen Berater oder eine persönliche Beraterin, der oder die individuelles Karriere-Coaching und Unterstützung während des gesamten Bewerbungsprozesses bietet. Unser Team steht den Bewerbern zur Seite und gibt wertvolle Ratschläge, um den Erfolg bei der Jobsuche zu maximieren. 

Ein besonderes Merkmal unserer Plattform ist unsere Maxime der Transparenz. Wir zeigen Bewerbern klar und deutlich, was die Jobs auf unserer Plattform zu bieten haben. Zum Beispiel werden die Stellen mit den Gehaltsvorstellungen der Pflegekräfte abgeglichen. Ebenso zeigen wir transparent auf, welche Vorteile die verschiedenen Jobs bieten, um sicherzustellen, dass sie auch die Anforderungen und Wünsche der Bewerber erfüllen. Tatsächlich ist die erste Frage, die wir stellen, wenn sich jemand anmeldet: “Welche 3 Jobvorteile sind dir besonders wichtig?” So können wir von Anfang an sicherstellen, dass wir maßgeschneiderte Vorschläge machen. 

Ihr werbt mit hoher Qualität eurer Bewerber:innen. Wie schafft ihr es sicherzustellen, dass die Kandidat:innen auf eurer Plattform die von den Arbeitgebern gewünschte Qualität mitbringen? 

Wir sehen die Pflegekräfte nicht als „Ressourcen“, die wir unseren Kunden verkaufen. Im Gegensatz zu typischen Jobplattformen, bei denen Stellenangebote einfach veröffentlicht werden, legen wir Wert auf Qualität. Bevor wir eine Pflegekraft einem unserer Kunden vorstellen, haben wir sowohl die Position auf die Pflegekraft abgestimmt als auch die Pflegekraft auf die Position. So können wir sicherstellen, dass die Person gut zur Stelle passt und dass die Stelle auch für die Pflegekraft von hoher Qualität ist.Es ist schon mal vorgekommen, dass ein Kunde nur wenige Bewerbungen erhalten hat, weil er einfach unterdurchschnittliches Gehalt und Benefits geboten hat.

Da wir in der Zeit, in der es Workbee gibt, so viele Jobs gesehen haben, wissen wir genau, welche Art von Jobs auf unserer Plattform gut ankommen. So können wir unsere Kunden beraten, was sie an ihrem Angebot ändern sollten, um die Chancen Kandidaten zu finden, zu erhöhen. Dieser Kunde hatte intern eine Diskussion und beschloss seine Rahmenbedingungen zu ändern. Sie kehrten zu unserer Plattform zurück, waren viel erfolgreicher und stellten schließlich Kandidaten ein. Damit können wir als Workbee direkt für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege werben. 

Du bist Data Scientist und hast langjährige Erfahrung in der Entwicklung von Algorithmen für maschinelles Lernen und Softwarelösungen im Bereich HR-Tech. Wie gut sind Lösungen, die sich künstliche Intelligenz zu Nutze machen, bereits in HR Tech verbreitet? 

Ich denke wir sind hier noch ganz am Anfang und es gibt noch wahnsinnig viel Potential, die HR-Tech Branche zu revolutionieren. Bestimmt gibt es viele kleine Anwendungen, die KI integrieren, aber das war noch nicht alles, was die Technologie zu bieten hat. Gerade seit der Veröffentlichung von ChatGPT eröffnen sich noch viel mehr Möglichkeiten, generative KIs zu integrieren. Wir haben relativ schnell begonnen ChatGPT in unserem Unternehmen zu verwenden, aber aktuell erstmal nur als Arbeitshilfe für unsere Mitarbeiter in den verschiedenen Teams. 

Gleichzeitig gibt es auch zurecht immer wieder warnende Stimmen beim Einsatz von KI in HR-Tech. Es ist sehr wichtig, dass die Lösungen ethisch und transparent eingesetzt werden, um KI-basierte Diskriminierung zu vermeiden. Wenn man das im Auge hat, bin ich überzeugt, dass wir in Zukunft eine noch intensivere Integration von KI-Lösungen im Personalwesen sehen werden!  

Wie sehr blutet dir dann das Herz, wenn jeder, der einen handelsüblichen Algorithmus verwendet, direkt KI auf seine Werbeunterlagen schreibt? 

Naja, „KI“ ist natürlich auch ein großes Buzz-Word! Jedes Unternehmen schmückt sich gerne mit solchen Begriffen, auch wenn manchmal nicht viel dahintersteckt. Oft stehen den Unternehmen aber auch nicht die Daten zur Verfügung, um ein KI-Modell zu trainieren.Auch simple Algorithmen können eine sinnvolle Entscheidungsgrundlage bietet, allerdings sollte man es dann nicht KI nennen. 

Habt ihr schon konkrete Pläne, was ihr als nächstes mit Workbee realisieren wollt? Worauf können sich sowohl Bewerber:innen als und Arbeitgeber, die eure Plattform nutzen, in Zukunft freuen? 

Für die Zukunft haben wir bei Workbee noch unmengen Pläne! Neben der kontinuierlichen Weiterentwicklung unserer Technologie, um den Rekrutierungsprozess noch effizienter und die Matches zwischen Arbeitgebern und Bewerbern noch präziser zu gestalten, arbeiten wir derzeit auch an einer spannenden Möglichkeit, wie unsere Nutzer die Plattform nutzen können, um nebenbei etwas zu verdienen. Wie das genau funktionieren wird, werden wir aber noch als kleines Geheimnis behalten, sonst ist ja die ganze Spannung weg.

Erst kürzlich haben wir außerdem unsere Angebote auf eine weitere Berufsgruppe ausgeweitet. Seit diesem Jahr können auch Jobs im Bereich Erziehung und Soziales gefunden werden. Eine weitere Berufsgruppe, die für unsere Gesellschaft Enormes leistet und für die es oftmal auch schwierig ist, Jobs mit tollen Bedingungen zu bekommen. 

Wir werden weiter daran arbeiten, Workbee zu einem ganzheitlichen Tool für alle Bewerberinnen und Bewerber sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu machen. Unser Ziel ist es, die Arbeitsplatzsuche zu vereinfachen und gleichzeitig innovative Funktionen einzuführen, die das Leben unserer Nutzer bereichern und ihre Karrieremöglichkeiten erweitern. Wir freuen uns darauf, alle diese aufregenden Entwicklungen in naher Zukunft zu präsentieren!

Lieber Jim, vielen Dank für die spannenden Einblicke. Ich hoffe, wir werden auch in Zukunft noch viel von euch und Workbee hören!

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