Der Recruitingprozess in 10 Bildern

Ihr seid Recruiter und habt euch schon immer gefragt, wie der typische Personalbeschaffungsprozess aussieht? Einen allgemeingültigen Blueprint, der zu jedem Unternehmen passt, gibt es leider nicht. Also ist es wichtig, sich ein Bild von jedem einzelnen Schritt zu machen. Ich stelle euch daher heute den Recruitingprozess in zehn GIFs vor.

Los geht’s!

#1 – Der Besetzungsantrag

Weihnachten kommt immer wieder sehr plötzlich. Anders kann man sich die Kurzschlusshandlungen vieler Menschen jedes Jahr in den Kaufhäusern nicht erklären. Genau so verhält es sich mit der Besetzung neuer Stellen.

Statt einer gut durchdachten Planung, die frühzeitig beginnt und die Besetzung von Vakanzen für das nächste Geschäftsjahr strukturiert, sind Recruiter und Personalmarketer viel zu häufig in einer reaktiven Haltung. Schuld daran sind Fachabteilungen und HR gleichermaßen. Nicht selten schläft die Fachabteilung und erkennt dann ganz plötzlich, dass die Mitarbeiterin, die die letzten sieben Monate schwanger war, auf einmal in die Mutterschutz- und Elternzeit geht. Häufig sind Personaler aber auch einfach selbst an der Misere schuld, weil sie sich bei der Planung für das nächste Jahr vom Business aussperren lassen und erst einbezogen werden, wenn es längst zu spät ist.

Beides führt auf jeden Fall dazu, dass alle Seiten angespannt sind und nur zu oft aktionistisch handeln, weil die geplante Stelle bereits gestern besetzt sein sollte. Ich plädiere daher immer für einen internen Prozess, der die jährlichen Personalbedarfe klärt. Natürlich gibt es immer wieder auch kurzfristige Vakanzen, die unvorhergesehen kommen und zwischendurch erledigt werden müssen. Umso wichtiger ist es daher, kommende Stellenausschreibungen frühzeitig zu planen und die Ausschreibungsdaten zu koordinieren und das richtige Budget bereitzustellen.

#2 – Die Stellenausschreibung

Die Fachabteilung und HR sind sich also einig geworden, die Stelle in den nächsten Tagen veröffentlichen zu wollen. Was jetzt fehlt ist eine passende Stellenausschreibung. Aber wie formuliert man diese so, dass sich die gesuchte Zielgruppe auch angesprochen fühlt?

Eines ist sicher: Recruiter sind keine ausgebildeten Redakteure. Und sie werden es auch nie sein. Typischerweise kommen Personaler eher aus den Disziplinen der Betriebswirtschaftslehre, der Psychologie oder dem Arbeitsrecht. Mir sind wenige HR-Kolleginnen und Kollegen bekannt, die vor ihrem Eintritt in die HR-Welt Germanistik oder Journalismus studiert haben. Andersherum schreiben Redakteure ja auch nach ihrem Studium keine Arbeitsverträge.

Auf der anderen Seite gibt es in den Fachabteilungen ebenfalls selten Kompetenz bei der Formulierung von griffigen Texten. Ganz im Gegenteil! Meine Erfahrung ist häufig, dass die Texte dann eher noch verschlimmbessert werden, weil sie voll sind von technischen oder internen Begriffen. Das beginnt meist schon beim Stellentitel, der kein Suchvolumen hat. Vor allem bleibt unberücksichtigt, was Kandidaten suchen. Häufig klingt die Ausschreibung dann wie ein Füllhorn voller Wünsche, die kein Kandidat erfüllen kann. Nicht selten wird dadurch außerdem eine Gehaltserwartung erzeugt, die später nicht erfüllt werden kann. Aber HR kann ja ohnehin jeder! 🙄🤷‍♂️

Was am Ende bleibt sind generische Stellenausschreibungen, die vielfach gleich oder gar austauschbar klingen oder den zukünftigen Job nur kryptisch skizzieren. Seid also mutiger bei der Formulierung von Stellenausschreibungen und verschont eure Kandidaten mit leeren Phrasen!

#3 – Auswahl der Ausschreibungskanäle

OK, die Stellenausschreibung steht jetzt halbwegs, aber wo veröffentliche ich meine Stelle jetzt am besten? Woher kommen meine Bewerbungen? Welche Quelle liefert die besten (oder meisten) Bewerbungen für meine Stelle? Wie kommen meine Stellen eigentlich zu „Google for Jobs“?

Im besten Fall wende ich bereits Recruiting Analytics Methoden an und kenne meine favorisierten Kanäle pro Jobfamilie ganz genau. Welche Kanäle das im Einzelnen sind, ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Da aber kein Recruiter unendliches Budget zur Verfügung hat, um alle Kanäle gleichzeitig auszuwählen, ist es umso wichtiger Transparenz über den Erfolg einzelner Kanäle herzustellen und ständig neue Kanäle auszuprobieren. Am einfachsten funktioniert das, wenn ich die drei goldenen Regeln im Personalmarketing berücksichtige:

  1. Setze deinen Fokus
  2. Sammle Daten und Fakten
  3. Hör‘ zu, wenn deine Zielgruppe spricht.

#4 – Active Sourcing

Ihr kennt sie. Kontaktanfragen aus der Hölle. Und zwar nicht von Vertrieblern, die irgendein seelenloses Produkt verkaufen wollen. Sondern von HR Managern, Recruitern & Active Sourcern oder HR Dienstleistern. Sie klingen in etwa so:

„Für unseren Mandanten, einem etablierten Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe, suchen wir aktuell im Raum Westdeutschland einen Sachbearbeiter XY (m/w/d).

Ist das interessant für Sie?

Ich freue mich auf Ihre Nachricht.

Viele Grüße“

Dabei hat der Sourcer so ziemlich alles vermissen lassen, was eine richtig coole Direktansprache ausmacht: persönliche Ansprache, einen konkreten Bezug zum Profil, echtes Interesse an der Person, relevante Informationen zum Produkt/zur Stelle und so weiter. Außerdem hat der Sourcer es in kürzester Zeit fertig gebracht, jede Bemühung im Employer Branding zu vernichten.

Jeder halbwegs gute Recruiter wird sich jetzt denken: „Wenn die es nicht können, umso besser für mich!“ Denn jede schlechte Anfrage kann dazu führen, dass jede individuelle Nachricht heraussticht. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass solche Anfragen jedem Sourcer unter dem Strich einen Bärendienst erweist, weil Kandidaten mit jeder schlechten Anfrage unempfänglicher für weitere Nachrichten werden. Das bedeutet, sie schaufeln sich ihr eigenes Grab!

#5 – Der Bewerbungseingang

Wenn die Bewerbungen schon nicht per Direktansprache eintreffen, hoffen Recruiter halt weiter darauf, dass die bisherigen Wege fruchten und die Quantität an qualitativ akzeptablen Bewerbungen ausreicht, um die offenen Stellen zu besetzen. Doch schaffen es alle Kandidaten überhaupt, ihre Bewerbung richtig zu platzieren? Oder werden sie vom Unternehmen erfolgreich daran gehindert? Ein wichtiger Zeitpunkt, die eigene Candidate Experience zu überprüfen.

Oft beginnt der Fehler schon in der Ablehnung von ungeliebten Bewerbungswegen wie Post- oder E-Mail-Bewerbungen, weil sie zusätzlichen Arbeitsaufwand für das Recruiting bedeuten. Wenn ich aber ohnehin kaum Bewerbungen für meine offenen Stellen erhalte, sollte ich diese Einstellung dringend überdenken. In diesem Fall rate ich auch gerne dazu, die eingesetzte Arbeitszeit mit dem Aufwand, eine zusätzliche Bewerbung zu generieren, zu vergleichen. Unabhängig davon gibt es wohl keine belegbare positive Korrelation zwischen der Art des Bewerbungseingangs und dem späteren Erfolg eines Mitarbeiters.

Doch auch bei Online-Bewerbungen steigen noch viele Kandidaten aus, weil die Karriereseite nicht gefunden wird, das Bewerbungsformular zu lang ist, ein Registrierungszwang besteht oder der Bewerbungsprozess nach wie vor nicht mobiloptimiert ist. Recruiter und Personalmarketer müssen daher dringend die Frage beantworten, ob der Bewerbungsprozess für jede Jobfamilie derselbe sein muss. Für einfache und einfachste Tätigkeiten reichen häufig vorab auch deutlich weniger Informationen statt einer vollständigen Bewerbung samt Anschreiben und Zeugnisse. Das erlaubt dann auch andere Formen der Bewerbungen.

Gerade in dieser Phase des Recruitingprozesses haben Recruiter und Personalmarketer die Möglichkeit, mit einfachen Mitteln sehr wirkungsvolle Veränderungen herbeizuführen und den Prozess an den Wünschen der eigenen Zielgruppe auszurichten.

#6 – Das Screening

Ähnlich wie die knapp 82 Millionen Deutschen während einer Welt- oder Europameisterschaft im Fußball zum Bundestrainer werden, mutieren alle Personaler und Nicht-Personaler in der Personalauswahl zum Hobbypsychologen. Sie fällen ein Urteil über Kandidaten ohne jede diagnostische Fachausbildung oder sonstige Fach- und Methodenkompetenz. Grund dafür sind erneut die diversen Ausbildungshintergründe von Personalern, die zwingend weiter professionalisiert werden müssen.

Valide Personalauswahlverfahren wie Intelligenztests, strukturierte Interviews, Fachwissentests, Arbeitsproben, oder Assessment Center kommen hier nur selten zum Einsatz. Auch die DIN 33430, die die Anforderungen an berufsbezogene Eignungsdiagnostik beschreibt, ist unter Personalern gänzlich unbekannt.

Viel zu häufig wird aus dem Bauch heraus entschieden, wer zum Unternehmen oder zur Stelle passt. Es fehlen oft valide Auswahlmethoden, weil die entsprechende Fachkompetenz zur Gestaltung des Verfahrens fehlt oder der Rang des Entscheiders das alles entscheidende Kriterium ist. Wer so sein Personal aussucht, kann auch gleich das Horoskop als Entscheidungshilfe heranziehen. Das ist mindestens genauso valide. 🔮🔭

Personaler entscheiden sich in der Folge häufig für Methoden, die viele andere schon ausgewählt haben und glauben, dass es richtiger wird, nur weil es viele schon gemacht haben. Hinzu kommt ein neuer Trend: Dem blinden Vertrauen auf Tools, die einem die Entscheidung abnehmen sollen und auf (angeblich) künstlicher Intelligenz basieren. Ich will das nicht pauschal verurteilen, aber in den allermeisten Fällen sind das Mogelpackungen, die vor jedem Einsatz im Unternehmen kritisch hinterfragt werden sollten.

Also: Don’t believe the hype!

#7 – Die Einladung

OK, weiter geht’s. Wir haben uns also gemeinsam mit der Fachabteilung entschieden, wer zum Interview oder zum Assessment Center eingeladen werden soll. Doch wann sucht ihr eigentlich die Termine für die möglichen Interviews? Sobald ein geeigneter Kandidat gefunden wurde? Zu spät! Dann ist der Kandidat nämlich schon längst über alle Berge und beim nächsten Arbeitgeber.

Dann passiert nämlich folgendes: Ihr habt gefühlt alle Kalender der Fachabteilungen auswendig gelernt, um die letzten verfügbaren Terminoptionen zu identifizieren. Die Führungskraft kann aber keine weiteren Termine erübrigen und der nächste verfügbare Termin ist erst in sechs Wochen oder später in Sicht. (Das ist übrigens dieselbe Führungskraft, die in Schritt 1 darauf bestanden hat, dass alles am besten gestern abgewickelt sein sollte.)

Die möglichen Termine sollten daher bereits vor der Veröffentlichung der Stellenausschreibung geplant werden, um die Time-to-hire nicht unnötig zu stressen.

Hat der Kandidat außerdem die Möglichkeit eine Terminoption zu wählen oder gilt bei der Terminvergabe das Motto „Friss oder Stirb“? Finden die Interviews außerdem zu Randzeiten statt oder müssen Kandidaten für jedes Interview einen Tag Urlaub opfern? Werden Skype-Interviews angeboten, um lange Anreisen und Hotelübernachtungen zu vermeiden?

Wer hier im Recruiting sein Service-Level hochschraubt, kann seine Wettbewerber ausstechen. Kandidaten werden diese Serviceorientierung zu schätzen wissen.

#8 – Das Interview

Nun ist der Tag X ist gekommen. Das Interview soll heute stattfinden. Der Raum ist gebucht. Kaffee ist gekocht. Büro noch einmal gelüftet. Und zakk. Nichts ist. Pustekuchen. Der Kandidat erscheint nicht. Eure Stimmung lässt sich etwa so beschreiben: 🤬🤯

Ein typischer Fall von Ghosting. Ghosting ist zwar ehrlicherweise nicht die Regel. In Zeiten des Bewerbermarktes kommt dies aber immer häufiger vor und ist natürlich extrem ärgerlich.

Kommt es aber zum Gespräch sind Interviews ein hervorragendes Instrument, um den Cultural Fit eines Kandidaten festzustellen. Durch Interviews bekommen wir die Möglichkeit Werte, Treiber und Motivatoren von Bewerbern zu identifizieren. Voraussetzung hierfür ist, dass alle Recruiter die Employer Value Proposition verstehen und sie klar an die Kandidaten artikulieren können. Denn sie haben die Möglichkeit, eure Story zu erzählen und die Vision des Arbeitgebers weiterzutragen.

Mitarbeiter, die den Cultural Fit bereits vorleben, können dem Bewerber außerdem besser auf den Zahn fühlen. Aber welche Fragen eignen sich, um die kulturelle Passung zu identifizieren?​ Das sind beispielsweise Fragen nach dem Ansatz der Bewerber bei der Lösung von Konflikten, ​zu Work-Life-Balance-Themen oder zum Humor des Bewerbers​.

Ich finde es auch immer wieder spannend zu beobachten, welche Fragen Bewerber mitbringen? ​Sind es ausschließlich Fragen zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und zum operativen Geschäft? Oder traut sich der Bewerber auch Fragen zur Unternehmenskultur oder zur aktuellen Stimmung im Team zu platzieren?​

Falls möglich würde ich im Anschluss an das Interview auch immer eine kleine Bürotour einbauen, um zu beobachten, ob sich Kandidaten in der Arbeitsumgebung wohlfühlen und ob sie mit den anwesenden Teammitgliedern interagieren können.

#9 – Der Probetag

Ein Probetag ist absolut sinnvoll, um Kandidaten die Möglichkeit zu eröffnen, einen Einblick in den Arbeitsalltag zu geben und die richtige Erwartungshaltung herzustellen. Jeder Probetag ist daher wichtig, um die Frühfluktuation, also die Abgänge innerhalb der ersten zwölf Monate, zu vermeiden oder zumindest zu verringern.

Doch was ist, wenn der Probetag jedes Mal zum Reinfall für Kandidaten wird. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Der Tag ist nicht strukturiert und der Mentor für den Tag ist nicht vorbereitet,
  • Es gibt nichts zu tun und es ist langweilig,
  • Der Mentor ist nicht ausreichend kompetent oder hat keine Lust,
  • Die zu erledigenden Aufgaben sind stupide und geben keinen realistischen Einblick in den Arbeitsalltag,
  • In der Abteilung geht es zu wie im Taubenschlag,

Die Liste mit den Dingen, die HR bei einem Probetag falsch machen kann, lässt sich fast unendlich weiterführen. Um diese Chance richtig zu nutzen, sollte dieses Instrument sorgfältig geplant werden und alle beteiligten Personen entsprechend eingebunden.

Ist so ein Probetag erfolgreich verlaufen, ist ein Feedback vom Mitarbeiter und vom Kandidaten unabdingbar. Wie sonst sollte man sonst bewerten können, was gut und was weniger gut war?

#10 – Der erste Arbeitstag

Das Telefon klingelt. Es ist der Empfang:

„Hier unten steht ein junger Mann, der sagt, er hätte hier heute seinen ersten Arbeitstag. Weißt du etwas davon?“

„Hä? Nein, davon weiß ich nichts. Wer soll das denn sein?“

„Dass weiß ich auch nicht. Er sagt, er gehöre ab heute zu eurer Abteilung.“

„Warte mal, ich schaue einmal, ob ich dazu etwas finden kann. 🧐 Ne, nichts da. Ich muss jetzt auch los ins nächste Meeting.“

Preboarding? Fehlanzeige!

Der Dialog ist natürlich zugespitzt. Er zeigt aber deutlich, dass am ersten Tag einiges schief gehen kann. Eigentlich geht es hier um Selbstverständlichkeiten wie die bereitgestellte und funktionierende IT-Ausstattung, die Anwesenheit der Führungskraft und/oder der Teammitglieder, aufgeräumte und vor allem saubere Schreibtische. Die Liste ließe sich unendlich lange füllen und zeigt, dass es wichtig ist, sich Gedanken darüber zu machen, wie ein herzlicher Empfang am ersten Arbeitstag und in den ersten Wochen gestaltet werden kann.

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