Comeback oder bleib‘ weg!?

Abtrünniger, Überläufer, Verräter, Ketzer, Spalter, Illoyaler, Frevel, Judas, Deserteur, Fahnenflüchtiger, Opportunist – es gibt aus der Vergangenheit unzählige Synonyme für ehemalige Kollegen, die das Unternehmen verlassen. Vielfach kommen sie unter Emotionen zu Stande, wenn diejenigen, die zurück bleiben, sich in ihrem Stolz gekränkt fühlen, weil jemand das Unternehmen bzw. das Team verlässt. Doch ist diese Auffassung in Zeiten des Fachkräftemangels noch zeitgemäß? Braucht es nicht eine viel stärkere Offenheit? Sollte die Devise nicht eher heißen: Comeback statt Bleib‘ Weg?

Ich habe Anfang März auf dem HR BarCamp in Berlin genau zu diesem Thema eine Session gehalten, weil ich der festen Überzeugung bin, dass das Thema Rehiring bzw. die Wiedereinstellung von ehemaligen Mitarbeitern ein riesiges Potenzial in sich hat und in Zukunft eine noch viel größere Rolle für erfolgreiche Recruitingstrategien spielen wird als heute. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Vorteile von Wiedereinstellungen

Ehemalige Mitarbeiter nach einer bestimmten Zeit wieder zurück ins Unternehmen zu holen kann viele Vorteile mit sich bringen. Ein wichtiger Punkt ist die Weiterentwicklung der Alumni außerhalb des eigenen Unternehmens. Sie entwickeln sich in der Regel nicht nur fachlich weiter, sondern auch persönlich. Durch den Wechsel sind sie vermeintlich in der Lage die Firmenbrille abzulegen und können dadurch neue Perspektiven bei zukünftigen Projekten oder Diskussionen einnehmen. Rückkehrer entscheiden sich außerdem ganz bewusst für eine erneute Bewerbung. Das spricht für ihre Motivation und zeigt, dass sie sich nach wie vor mit dem Arbeitgeber identifizieren und verbunden fühlen. Übrigens kann die Quote von Rückkehrern durchaus als Indikator dienen, um die eigene Arbeitgebermarke zu bewerten. Ein weiterer Vorteil bei der Wiedereinstellung von Alumni ergibt sich praktischerweise daraus, dass die Onboarding-Phase verkürzt wird, denn sie kennen schon vieles und müssen sich nicht erst noch orientieren und eine lange Zeit eingearbeitet werden. Im Bestfall kennen sie sogar noch die Personen, mit denen sie zukünftig zusammenarbeiten und freuen sich darauf, alte Bekannte wieder zu treffen und auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit zurück zu blicken.

Kann es auch Nachteile haben, Ehemalige wieder zurückzuholen?

Aber sicher! Nicht jeder im Unternehmen schreit „Hurra“, wenn ein ehemaliger Kollege oder eine ehemalige Kollegin wieder zurückkommt. Oftmals herrschen Vorurteile von beiden Seiten, weil es nicht selten darum geht, wer sich in zwischenzeit besser entwickelt hat. Genauso wie die ehemaligen Mitarbeiter sich nach ihrem Austritt persönlich und fachlich weiterentwickeln, entwickelt sich auch das Unternehmen und seine Kultur. Das kann mal langsamer oder mal schneller sein. Beides ist möglich. Allerdings bekommen Ehemalige die Weiterentwicklung ihres früheren Arbeitgebers meist nur von außen mit und könnten bei einem Comeback irritiert sein. Es hängt davon ab, wie lange die Zeit zwischen Austritt und Comeback ist. Außerdem können fachliche Inhalte aus der vorherigen Beschäftigung mittlerweile völlig überholt sein, weswegen Rückkehrer auch in der Lage sein sollten Dinge zu vergessen.

Ein weiteres Problem ergibt sich, wenn dieselben Führungskräfte oder Kollegen, wegen denen ein Mitarbeiter das Unternehmen verlassen hat, nach wie vor im Unternehmen sind und eine erneute Zusammenarbeit nur zähneknirschend möglich ist. Hier kommt es insbesondere darauf an, dass die handelnden Personen in der Lage sind, bei Null zu starten, alte Geschichten hinter sich zu lassen und ihren gebrochenen Stolz beiseite zu legen.

Wiedereinstellungen scheitern außerdem häufig an zu hohen Gehaltsvorstellungen. Die meisten Arbeitgeberwechsel sind mit einem mehr oder weniger moderaten Gehaltssprung verbunden und nicht selten wechseln Mitarbeiter das Unternehmen gerade wegen des Geldes. Warum sollte ein Unternehmen also diesmal den Gehaltssprung mitgehen, wenn es sich seinerzeit geweigert hat, die Gehaltsvorstellungen zu erfüllen? Wenn der Faktor Gehalt der wesentliche Treiber ist, warum ein Mitarbeiter das Unternehmen verlassen hat, liegt es nahe, dass sich dieses Thema zukünftig erneut auftun könnte.

Wie baue ich ein strukturiertes Netzwerk auf?

Wenn ich als Recruiter oder HR Manager nun alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt habe, stellen sich mir folgende Fragen:

  • Welche Zielgruppe kommt für mich in Betracht?
  • Wie baue ich das Netzwerk auf?
  • Mit welchem Inhalt fülle ich mein Alumni-Netzwerk?
  • Wie schaffe ich die entsprechende Conversion?

Zu diesen Fragen habe ich mir bereits in dem Artikel „In 4 Schritten zum Alumni-Netzwerk“ Gedanken gemacht. Die notwendige Voraussetzung für das Thema Rehiring ist meiner Ansicht nach jedoch die Einführung von strukturierten Exitgesprächen.

Exitgespräche als wichtigstes Instrument des Rehirings

Wenn es darum geht eine Struktur auf- und auszubauen, um ehemalige Mitarbeiter gezielt zu rekrutieren, braucht es entsprechende Daten, die bei strukturierten Gesprächen vor Beendigung der Tätigkeit erhoben werden. Der Aufwand hierfür kann je nach Unternehmensgröße natürlich stark variieren. Daher ist es wichtig, sich bereits im Vorfeld Gedanken darüber zu machen, welche Daten erhoben werden sollen und wie diese Daten später genutzt werden. Ob HR oder die Vorgesetzen diese Gespräche durchführen hängt letztlich von der Kultur und den Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens ab. Aber gerade bei einer größeren Anzahl von Exits oder einer höheren Fluktuation sind solche Datensätze extrem wertvoll, um an der Verbesserung des internen Employer Brandings zu arbeiten und diese Kennzahlen entsprechend zu verringern. Um dem Datenschutz gerecht zu werden, sollte es selbstverständlich sein, sich die Freigabe der Daten vom ausscheidenden Mitarbeiter erteilen zu lassen. Exitgespräche sind daher ein entscheidender Faktor bei der Rekrutierung von Boomerang-Mitarbeitern.

One more thing…

Eins noch: Das Thema Rehiring ausschließlich auf die Wiedereinstellung von ehemaligen Mitarbeitern zu beschränken, wäre zu kurz gedacht. Ehemalige Mitarbeiter sind natürlich erstklassige Markenbotschafter und werden nicht selten zu zukünftigen Auftraggebern. Von daher lohnt es sich natürlich immer an der positiven Entwicklung der eigenen Arbeitgebermarke zu arbeiten.

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